Wir setzen uns ein für eine gemeinwesenorientierte Soziale Arbeit. Aber was meinen wir damit eigentlich? Antworten darauf gibt Christian Hlatky, der im Rosenheimer Westen die Gemeinwesenarbeit und alle damit verbundenen Projekte für Startklar koordiniert.

Gemeinwesenarbeit haben alle, die noch im 20. Jahrhundert Soziale Arbeit studiert haben, im Studium der Sozialen Arbeit als 3. Methode kennengelernt. Heute können viele Sozialarbeiter*innen damit gar nichts mehr anfangen. Was meinst du denn, wenn du von Gemeinwesenarbeit sprichst?

Christian Hlatky: Für mich ist Gemeinwesenarbeit eine Soziale Arbeit nach denselben Prinzipien der sozialraumorientierten Jugendhilfe – nur ohne den Fokus primär auf Kinder, Jugendlichen und Familien zu richten. Es geht vielmehr um alle Menschen, die in einem bestimmten Sozialraum leben. In meiner täglichen Arbeit sind Projektarbeit, die Aktivierung von Menschen und Ressourcen, Empowerment, Netzwerkarbeit und Lebensweltorientierung zentrale Methoden.

Es geht darum, die Lebensbedingungen in einem Quartier gemeinsam mit den Bewohnern nachhaltig zu verbessern.

Warum ist Gemeinwesenarbeit deiner Meinung nach heute so wichtig? Was lässt sich damit erreichen, was durch Einzelfallhilfe nicht möglich wäre?

Gemeinwesenarbeit hat das Potenzial, ganze Sozialräume zu stärken. Durch die Aktivierung der Menschen vor Ort wird der Blick über den einzelnen Fall hinaus auf den gesamten Stadtteil und dessen Strukturen gelenkt. Wenn Bewohner gemeinsam aktiv werden, können sie Veränderungen bewirken, die vielen zugutekommen. Es entstehen wirksame und hoffentlich positive Effekte, die weit über das hinausgehen, was eine reine Einzelfallhilfe leisten kann.

Wie kann man Gemeinwesenarbeit finanzieren – es ist ja keine Pflichtleistung?

In Rosenheim konnten wir die Verwaltung und Politik von diesem Konzept überzeugen. Mit der extra geschaffenen Stelle der Kontaktstelle bürgerschaftliches Engagement (KBE) werden in den drei Sozialräumen Rosenheims Sozialraummanager finanziert, die an den Schwerpunktträgern der sozialraumorientierten Jugendhilfe angegliedert sind. Es ist eine freiwillige Leistung der Kommune, die aber den Nutzen und die Chancen unserer Arbeit erkannt hat.
Es gibt zudem immer wieder Förderprogramme von Ministerien und Stiftungen, die man unter Umständen bündeln kann und für die Finanzierung dieser Arbeit bemühen kann.

Was macht ihr in Rosenheim konkret im Bereich Gemeinwesenarbeit?

In Rosenheim betreiben wir gemeinsam mit der Stadt Rosenheim das Bürgerhaus E-Werk im Stadtteil Endorfer Au. Dort finden Projekte zur Integration und zur Beteiligung der Bewohner statt. Mit den Menschen vor Ort gehen wir der Frage nach: „Wie können wir gemeinsam die Lebenssituation für uns alle verbessern?“.

Daraus ergeben sich dann Projekte, die eine gute Nachbarschaft fördern oder auch die Freizeitsituation für Kinder, Jugendliche und Familien verbessert (z.B. durch den Bau eines neuen Bolzplatzes). Viele Projekte werden dann auch gemeinsam mit den Kollegen des Sozialraumteams abgestimmt und von ihnen begleitet.
In den regelmäßigen Stadtteilversammlungen können die Stadtteilbewohner über ein Budget, den Bürgerfonds, abstimmen und selber Projekte beantragen und durchführen. Zudem gibt es regelmäßige Netzwerktreffen der wichtigsten Akteure vor Ort – z.B. Schulen, Kitas, Kirchen, Beratungsstellen, Vereine etc., um sich auszutauschen und die verschiedenen Angebote vor Ort aufeinander abzustimmen.

Was hast du dir vorgenommen, was du im nächster Zeit umsetzen willst?

Im Rosenheimer Westen planen wir aktuell ein integratives Freizeitgelände für junge Menschen. Unter einer Brücke über den Aicherpark soll ein barrierefreies Sportgelände mit Kleinfußballfeld, Basketballfeld und einer Skateanlage entstehen. Beim Planungsprozess beteiligen wir alle potentiellen zukünftigen Nutzer*innen. Derzeit ist allerdings die Klärung der Finanzierung unser größtes Thema.

Vielen Dank!

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